
Nachdem wir die Relevanz der Abrechnung (Artikel 1) und die grundlegenden Systeme BEMA und GOZ (Artikel 2) kennengelernt haben, widmen wir uns nun den verschiedenen Patientengruppen, der Bedeutung des Heil- und Kostenplans (HKP) und den notwendigen Vereinbarungen, um Kosten transparent und rechtssicher zu kommunizieren. Dieses Wissen ist entscheidend, um im Praxisalltag souverän agieren zu können.
Das deutsche Gesundheitssystem unterscheidet im Wesentlichen zwischen gesetzlich und privat versicherten Patienten, was direkte Auswirkungen auf die Behandlungsplanung und Abrechnung hat.
Der „Kassenpatient“ (GKV) – Was ist Standard?
Die Mehrheit der Patienten in Deutschland ist gesetzlich krankenversichert. Für ihre Behandlung gelten spezifische Regeln:
- Sachleistungsprinzip:
Der GKV-Patient legt seine elektronische Gesundheitskarte (eGK) vor. Die Praxis rechnet die vertragszahnärztlichen Leistungen (nach BEMA) direkt mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) ab. Der Patient leistet für diese Regelversorgung keine direkte Zahlung an die Praxis (Ausnahmen: gesetzliche Zuzahlungen, z.B. für Medikamente). - Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V):
Die Leistungen müssen „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein und dürfen „das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“. Das bedeutet, dass die GKV nur für eine medizinisch notwendige Basisversorgung aufkommt. Aufwendigere Techniken, reine Komfort- oder Ästhetik-Leistungen sind oft nicht im Leistungskatalog der GKV enthalten. - Festzuschüsse bei Zahnersatz (ZE):
Für Kronen, Brücken und Prothesen zahlt die GKV einen befundorientierten Festzuschuss. Dieser Zuschuss richtet sich nach dem individuellen zahnmedizinischen Befund (z.B. „fehlender Zahn“) und deckt einen Teil der Kosten für eine definierte Standardlösung (die „Regelversorgung“, z.B. eine Metallkrone) ab. Die Höhe des Festzuschusses kann durch ein lückenlos geführtes Bonusheft erhöht werden (von 60% auf 70% oder 75% der durchschnittlichen Kosten der Regelversorgung). Den verbleibenden Teil der Kosten für die Regelversorgung trägt der Patient als Eigenanteil. - Gleichartige und Andersartige Versorgung bei ZE:
- Wählt der Patient eine Versorgung, die zwar die Regelversorgung beinhaltet, aber zusätzliche private Elemente enthält (z.B. eine zahnfarbene Keramikverblendung an einer Krone statt nur der vestibulären Regelversorgungs-Verblendung), spricht man von einer „gleichartigen Versorgung“. Der Patient erhält den Festzuschuss für die Regelversorgung; alle darüber hinausgehenden Kosten (für die privaten Zusatzleistungen nach GOZ und entsprechende Laborkosten nach BEB) trägt er selbst.
- Entscheidet sich der Patient für eine Lösung, die sich grundlegend von der Regelversorgung unterscheidet (z.B. ein Implantat statt einer Brücke), handelt es sich um eine „andersartige Versorgung“. Auch hier erhält er nur den Festzuschuss, der für die Regelversorgung angefallen wäre; die gesamten Kosten der andersartigen Versorgung (nach GOZ und BEB) trägt er selbst.
Der Privatpatient (PKV) – Rechnung direkt an den Patienten
Privatversicherte Patienten sind direkte Vertragspartner des Zahnarztes.
- Kostenerstattungsprinzip:
Sie als Zahnarzt stellen dem PKV-Patienten eine Rechnung über die erbrachten Leistungen gemäß der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) und ggf. der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Der Patient begleicht diese Rechnung und reicht sie anschließend bei seiner privaten Krankenversicherung zur Erstattung ein. - Individuelle Versicherungstarife:
Der Umfang der Kostenerstattung durch die PKV hängt ausschließlich vom individuellen Versicherungstarif des Patienten ab! Es gibt unzählige Tarife mit sehr unterschiedlichen Leistungsspektren, Selbstbehalten und Erstattungsgrenzen (z.B. Begrenzung des GOZ-Steigerungsfaktors, prozentuale Erstattungssätze).
Wichtig: Sie als Zahnarzt sind nicht verpflichtet und oft auch nicht in der Lage, die Details jedes einzelnen PKV-Tarifs zu kennen. Ihre Rechnung muss korrekt nach GOZ erstellt sein; die Erstattung durch die Versicherung ist eine Angelegenheit zwischen Patient und seiner PKV. - Aufklärung und Kostenvoranschlag:
Gerade bei umfangreicheren Behandlungen ist es für PKV-Patienten sehr wichtig, vorab einen detaillierten Heil- und Kostenplan (Kostenvoranschlag nach GOZ) zu erhalten, um die voraussichtliche Erstattung mit ihrer Versicherung klären zu können.
Der Beihilfe-Patient – Ein spezieller Fall
Beamte, Richter und Soldaten haben oft einen Anspruch auf Beihilfe von ihrem Dienstherrn und zusätzlich meist eine private Restkostenversicherung.
- Abrechnungsgrundlage: Die Abrechnung erfolgt ebenfalls nach GOZ und GOÄ.
- Besonderheiten: Die Beihilfestellen haben oft eigene, sehr spezifische Vorschriften und Höchstsätze für die Erstattungsfähigkeit von Leistungen und Material-/Laborkosten, die nicht immer mit der GOZ oder den PKV-Tarifen übereinstimmen. Dies kann die Abrechnung und Erstattung komplex machen. Oft ist eine getrennte Rechnungsstellung für Beihilfe und PKV sinnvoll.
- Tipp: Bei Beihilfepatienten ist eine besonders sorgfältige Planung und Aufklärung über möglicherweise nicht erstattungsfähige Anteile wichtig.
Der Selbstzahler – Klare Verhältnisse
Patienten ohne jeglichen Versicherungsschutz oder Patienten, die eine reine Verlangensleistung (ästhetische Behandlung ohne medizinische Notwendigkeit) wünschen, zahlen die Behandlungskosten vollständig selbst. Die Abrechnung erfolgt nach GOZ.
Der Heil- und Kostenplan (HKP) & Aufklärung – Transparenz ist Trumpf
Der HKP ist ein zentrales Instrument für die Behandlungsplanung und die Kommunikation der Kosten.
Zweck des HKP:
1. Information des Patienten: Detaillierte Darstellung der geplanten Therapie(n) und der damit verbundenen voraussichtlichen Kosten (aufgeschlüsselt nach Honorar, Material- und Laborkosten, ggf. Kassenanteil und Eigenanteil).
2. Genehmigung durch die GKV: Bei Zahnersatz (ZE), Parodontaltherapie (PAR) und Kieferbruch-/Kiefergelenksbehandlungen (KBR) ist der HKP zwingend vor Behandlungsbeginn bei der gesetzlichen Krankenkasse zur Genehmigung des Festzuschusses einzureichen!
3. Kostenvoranschlag für PKV/Beihilfe: Dient dem Privatpatienten zur Klärung der Kostenübernahme mit seiner Versicherung/Beihilfestelle. Viele PKVen fordern einen HKP ab einer bestimmten voraussichtlichen Summe.
Inhalt eines HKP (vereinfacht):
* Patientendaten, Befund(e).
* Geplante Therapie (bei GKV: Regelversorgung und ggf. davon abweichende geplante Versorgung).
* Voraussichtliche Kosten, aufgeschlüsselt nach BEMA-Positionen (für GKV-Anteil), GOZ/GOÄ-Positionen (für Privatanteil), Material- und Laborkosten (BEL II für GKV-Labor, BEB für Privat-Labor).
* Voraussichtlicher Festzuschuss der GKV.
* Daraus resultierender voraussichtlicher Eigenanteil des Patienten.
Anfänger-Tipp: Beginnen Sie niemals eine genehmigungspflichtige GKV-Behandlung (ZE, PAR, KBR) ohne einen von der Kasse genehmigten HKP! Erklären Sie dem Patienten den HKP geduldig und stellen Sie sicher, dass er die Kosten und die geplante Therapie verstanden hat.
Aufklärung & Schriftliche Vereinbarungen – Absicherung für beide Seiten
Das Patientenrechtegesetz (§ 630c, § 630e BGB) verpflichtet Sie zu einer umfassenden Aufklärung – medizinisch und wirtschaftlich. Bei Abweichungen von der Kassenleistung oder Wunschleistungen sind schriftliche Vereinbarungen unerlässlich – vor Behandlungsbeginn!
Die Mehrkostenvereinbarung (nach § 28 Abs. 2 SGB V)
Wann nötig?
Wenn ein GKV-Patient eine Versorgung (z.B. Füllung, Zahnersatz) wünscht, die qualitativ/technisch über die Standard-Kassenleistung hinausgeht, es aber eine Kassenalternative gäbe.
Typische Beispiele:
* Zahnfarbene Kompositfüllung im Seitenzahn statt GIZ.
* Keramik-Inlay statt Regelversorgungskrone.
* Aufwendige Füllungsreparatur mit Adhäsivtechnik.
Wie funktioniert es?
Spezifisches Formular (Gegenüberstellung BEMA vs. GOZ). Patient bestätigt Übernahme der Mehrkosten (GOZ + Material – BEMA-Wert der Alternative) per Unterschrift.
Ganz Wichtig:
Ohne diese schriftliche Vereinbarung VORHER dürfen keine Mehrkosten berechnet werden!
Die Vereinbarung einer Verlangensleistung (nach § 2 Abs. 3 GOZ)
Wann nötig?
Wenn eine Behandlung medizinisch NICHT notwendig ist und nur auf Wunsch des Patienten erfolgt.
Typische Beispiele:
* Rein kosmetisches Bleaching.
* Zahnschmuck.
* Austausch intakter Füllungen ohne medizinische Indikation.
Wie funktioniert es?
Patient bestätigt schriftlich VORHER, dass Leistung auf Wunsch erfolgt und er Kosten (rein nach GOZ) selbst trägt.
Ganz Wichtig:
Kein GKV-Zuschuss, meist auch keine PKV-Erstattung!
Die Vereinbarung einer abweichenden Gebührenhöhe (nach § 2 Abs. 1, 2 GOZ)
Wann nötig?
Wenn für eine GOZ-Leistung ein Faktor ÜBER 3,5 angesetzt werden soll.
Wie funktioniert es?
Nur in seltenen Ausnahmefällen (extremer Aufwand) und zwingend mit vorheriger schriftlicher Vereinbarung (Leistung, Faktor, Betrag, Hinweis auf Erstattungsprobleme).
Hinweis für Einsteiger:
Eher selten relevant.
Praxistipp für Einsteiger: Vereinbarungen korrekt nutzen
Nutzen Sie immer aktuelle, standardisierte Formulare. Erklären Sie dem Patienten den Inhalt genau VOR der Unterschrift und VOR Behandlungsbeginn. Geben Sie dem Patienten eine Kopie.
Warum die Grundlagen für spezielle Fälle wichtig sind
Das Verständnis dieser Grundlagen – BEMA vs. GOZ, Patientenansprüche, Notwendigkeit von Plänen und Vereinbarungen – ist das Rüstzeug, um auch spezifischere, alltägliche Situationen abrechnungstechnisch korrekt einzuordnen. Sie können dann besser beurteilen:
* Wie eine komplexe Endo-Revision abgerechnet werden kann (meist GOZ, Aufwand begründen).
* Wann spezielle Planungsmodelle zusätzlich berechenbar sind (GOZ 0065, nicht BEMA).
* Ob eine Unterfütterung oder ein Prothesenumbau nach Extraktion Regelversorgung (BEMA) oder eine Privatleistung (GOZ/Mehrkosten) ist.
* Wie ein Notfall-Provisorium nach Defekt außerhalb der Gewährleistung abgerechnet wird (meist GOZ).
* Ob das Aktivieren von Klammern oder das Beseitigen von Druckstellen eine separate Leistung oder Teil der Nachsorge ist (kontextabhängig).
Die detaillierte Abrechnung dieser spezifischen Leistungen wird in den folgenden Artikeln behandelt. Die hier geschaffene Basis hilft Ihnen, diese Details dann korrekt einzuordnen.
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