
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
herzlich willkommen zu unserem Leitfaden zur zahnärztlichen Abrechnung! Dieses Thema mag im Studium vielleicht nicht im Vordergrund gestanden haben, doch für Ihren erfolgreichen und rechtssicheren Start ins Berufsleben ist ein solides Verständnis der Abrechnungssysteme BEMA und GOZ absolut unerlässlich. Dieser erste Artikel beleuchtet, warum Abrechnungskenntnisse weit mehr als eine lästige Pflicht sind – sie sind die wirtschaftliche und rechtliche Basis Ihrer täglichen Arbeit.
Warum Abrechnungswissen (leider) entscheidend ist
Die Abrechnung ist nicht nur das Erstellen von Rechnungen. Sie ist die kritische Schnittstelle zwischen Ihrer wertvollen medizinischen Leistung und der wirtschaftlichen Realität sowie den rechtlichen Rahmenbedingungen einer Zahnarztpraxis.
Die wirtschaftliche Grundlage der Praxis sichern
Jede zahnärztliche Leistung, die Sie erbringen, ist mit Kosten verbunden: Personalgehälter, hochwertige Materialien, moderne Geräte, Miete, Versicherungen und vieles mehr. Nur durch eine korrekte und lückenlose Abrechnung können diese Kosten gedeckt und die Praxis wirtschaftlich betrieben werden.
Fehlerhaftes oder unvollständiges Abrechnen bedeutet direkten Honorarverlust. Ob es sich um eine scheinbar einfache Füllung, eine komplexe Endo-Revision, eine aufwendige prothetische Versorgung oder auch nur um das zeitnahe Beseitigen von Druckstellen handelt – jede erbrachte Leistung muss korrekt erfasst und abgerechnet werden, um die finanzielle Stabilität und den Fortbestand der Praxis zu gewährleisten.
Im GKV-Bereich ist dabei der regional variierende BEMA-Punktwert die Basis der Honorierung, dessen Entwicklung die Einnahmesituation maßgeblich beeinflusst.
Gesetzliche und vertragliche Verpflichtungen erfüllen
Als Zahnärztin oder Zahnarzt agieren Sie nicht im rechtsfreien Raum. Ihre Tätigkeit unterliegt vielfältigen rechtlichen Rahmenbedingungen:
* Das Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) bildet die umfassende gesetzliche Grundlage für die Behandlung von GKV-Patienten.
* Die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) ist eine Rechtsverordnung der Bundesregierung, erlassen auf Basis des Zahnheilkundegesetzes (ZHG). Sie regelt die Vergütung für Privatpatienten und für Leistungen außerhalb des GKV-Katalogs.
* Der Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen (BEMA) ist Bestandteil der Bundesmantelverträge (BMV-Z bzw. EKVZ) und somit bindendes Vertragsrecht für alle Vertragszahnärzte.
Sie sind verpflichtet, Ihre Leistungen gemäß diesen Ordnungen abzurechnen. Im GKV-Bereich ist zudem stets das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) zu beachten: Leistungen müssen „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ sein und dürfen „das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“.
Fehler, Regressforderungen und unnötigen Ärger vermeiden
Unkenntnis oder Fehler in der Abrechnung können weitreichende und unangenehme Konsequenzen haben:
* Nachfragen und Beanstandungen: Sowohl private Kostenerstatter (PKVen, Beihilfestellen) als auch die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) prüfen eingereichte Rechnungen und Pläne. Dies kann zu Streichungen oder Kürzungen führen.
* Wirtschaftlichkeitsprüfungen (GKV nach § 106 SGB V): Die KZVen prüfen die Wirtschaftlichkeit der Versorgung. Auffälligkeiten (z.B. im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt) können zu Honorarkürzungen oder Regressforderungen (Rückforderung bereits gezahlter Honorare) führen.
* Unzufriedenheit bei Patienten: Fehlerhafte oder intransparente Rechnungen sind eine häufige Ursache für Unmut und können das Vertrauensverhältnis stören.
Ein solides Grundwissen in der Abrechnung hilft Ihnen, diese Fallstricke zu erkennen und zu umgehen.
Professionelle Kommunikation und Aufklärung als Basis
Zur professionellen Behandlung gehört untrennbar die wirtschaftliche Aufklärung des Patienten. Dies ist gesetzlich verankert (u.a. im Patientenrechtegesetz, § 630c BGB Informationspflichten und § 630e BGB Aufklärungspflichten) und somit integraler Bestandteil des Behandlungsvertrages.
Sie sind verpflichtet, Ihre Patienten vor Beginn einer Behandlung über die voraussichtlichen Kosten zu informieren, insbesondere wenn diese über die Standardleistungen der GKV hinausgehen oder vollständig privat zu tragen sind. Eine transparente Darstellung im Heil- und Kostenplan (HKP) und eine verständlich aufgeschlüsselte Rechnung sind Zeichen von Professionalität und Respekt gegenüber dem Patienten.
Fazit
Abrechnungswissen ist für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte kein optionales Add-on, sondern eine Kernkompetenz. Sie sichert nicht nur das Einkommen der Praxis, sondern schützt auch vor rechtlichen Problemen und trägt maßgeblich zu einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung bei.
Im nächsten Artikel (Artikel 2 unserer Grundlagen-Serie) werden wir uns die beiden zentralen Abrechnungssysteme – BEMA und GOZ – im Detail ansehen und ihre wichtigsten Unterschiede und Anwendungsbereiche herausarbeiten.
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