
Willkommen zum dritten und letzten Teil unseres Abrechnungsleitfadens! Nachdem wir die Grundlagen (Artikel 1) und die Abrechnung häufiger Behandlungen (Artikel 2) besprochen haben, geht es nun um wichtige übergreifende Themen wie die korrekte Dokumentation, den Umgang mit dem GOZ-Steigerungsfaktor, die Kommunikation mit Patienten und Versicherungen sowie häufige Fehlerquellen. Abschließend geben wir Ihnen noch Hinweise auf hilfreiche Ressourcen.
Dokumentation: Das A und O der Abrechnung
Eine sorgfältige und lückenlose Dokumentation ist nicht nur eine gesetzliche Pflicht, sondern auch die Grundlage und Absicherung Ihrer Abrechnung – sowohl im BEMA als auch in der GOZ!
Gesetzliche Anforderungen:
Nach dem Patientenrechtegesetz (§ 630f BGB) sind Sie verpflichtet, eine Patientenakte zu führen und alle wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse, Aufklärungen und Einwilligungen zeitnah zu dokumentieren.
Bedeutung für BEMA:
- Nachweis der Leistungserbringung gegenüber der KZV.
- Nachweis der Einhaltung von Richtlinien (z.B. bei Endo, PAR).
- Grundlage für eventuelle Wirtschaftlichkeitsprüfungen (Plausibilität der Abrechnung).
- Dokumentation der medizinischen Notwendigkeit. Entscheidende Bedeutung für GOZ:
- Nachweis der erbrachten Leistung: Grundlage jeder Rechnung.
- Begründung des Steigerungsfaktors > 2,3: Ohne nachvollziehbare Dokumentation der besonderen Schwierigkeit, des Zeitaufwands oder der Umstände ist ein höherer Faktor angreifbar!
- Nachweis separat berechnungsfähiger Leistungen: Dokumentation, warum bestimmte Leistungen zusätzlich zu anderen abgerechnet wurden (z.B. schwierige Blutstillung GOZ 3050 neben Extraktion).
- Nachweis verwendeter Materialien: Bei Berechnung von Materialkosten nach § 4 Abs. 3 GOZ.
- Nachweis für Analogleistungen: Begründung der Auswahl der analogen Gebührennummer (§ 6 Abs. 1 GOZ). Was muss dokumentiert werden? (Checkliste)
- Datum der Behandlung.Genaue Zahnbezeichnung(en).Anamnestische Besonderheiten (falls relevant für den Aufwand).Diagnose(n).Inhalte der Aufklärung und erfolgte Einwilligung des Patienten (idealerweise mit Verweis auf unterschriebene Formulare).Durchgeführte Behandlungsschritte detailliert (z.B. verwendete Anästhesie, Kofferdam ja/nein, Füllungsmaterial, Wurzelkanallängen, verwendete Instrumente/Techniken bei Endo/Chirurgie).Besonderheiten und Schwierigkeiten: (GANZ WICHTIG für GOZ > 2,3!) z.B. „stark gekrümmter Kanal“, „erschwerter Zugang durch eingeschränkte Mundöffnung“, „unerwartet starke Blutung“, „Entfernung harter, alter Wurzelfüllung“, „extrem harte Zahnsubstanz bei Präparation“.Verwendete Medikamente und Materialien (ggf. mit Chargennummer bei Implantaten etc.).Dauer der Behandlung (insbesondere bei zeitabhängigen GOÄ-Positionen wie Ä3 oder als Begründung für erhöhten Zeitaufwand bei GOZ > 2,3).Postoperative Instruktionen.
- Zeitnah dokumentieren (direkt nach der Behandlung).
- Praxissoftware nutzen (Textbausteine, Makros).
- Klare, eindeutige, aber knappe Formulierungen.
- Standardisierte Abkürzungen innerhalb der Praxis verwenden.
- Relevante Befunde (Röntgenbilder, Fotos) speichern.
Der Steigerungsfaktor in der GOZ: Mehr als nur 2,3?
Der Steigerungsfaktor ist das Instrument in der GOZ, um den individuellen Aufwand einer Leistung abzubilden.
Grundlagen (§ 5 Abs. 2 GOZ):
- Der Gebührenrahmen reicht vom 1,0-fachen bis zum 3,5-fachen Satz.
- Der 2,3-fache Satz (Regelhöchstsatz) gilt für Leistungen von durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Zeitaufwand und unter durchschnittlichen Umständen. Er muss nicht begründet werden.
- Ein Faktor über 2,3 darf nur berechnet werden, wenn mindestens eines der Kriterien (Schwierigkeit, Zeitaufwand, Umstände bei der Ausführung) überdurchschnittlich war. Dies muss patientenbezogen für die jeweilige Leistung kurz auf der Rechnung begründet werden.
- Ein Faktor unter 2,3 ist möglich, wenn die Leistung einfacher oder schneller als durchschnittlich war (in der Praxis selten angewendet, außer bei Kulanz oder sehr einfachen Leistungen). Kriterien für Faktor > 2,3:
- Erhöhte Schwierigkeit: z.B. anatomische Besonderheiten (enge Kanäle, gekrümmte Wurzeln), pathologische Zustände (harte Zahnsubstanz, sklerosierter Knochen), eingeschränkte Sicht/Zugang, schwierige Blutstillung, Entfernung alter Restaurationen/Stifte.
- Erhöhter Zeitaufwand: z.B. durch besonders aufwendige Präparation/Füllungstechnik, langwierige Entfernung von Wurzelfüllmaterial, schwierige Patientencompliance (Kind, Angstpatient), Notwendigkeit zusätzlicher Arbeitsschritte.
- Besondere Umstände bei der Ausführung: z.B. Behandlung eines Risikopatienten (medizinische Komorbiditäten), Notwendigkeit besonderer Hygienemaßnahmen, Behandlung unter Mikroskop (wenn nicht anders abgedeckt), extreme Trockenlegung erforderlich. Formulierung von Begründungen (> 2,3):
- Muss kurz, patientenbezogen, leistungsbezogen und nachvollziehbar sein.
- Keine pauschalen oder nichtssagenden Begründungen (z.B. „erhöhter Aufwand“ reicht nicht!).
- Beispiele:
- „Erschwerte Trockenlegung bei starkem Speichelfluss“ (Umstand)
- „Entfernung einer alten, frakturierten Amalgamfüllung“ (Schwierigkeit)
- „Zeitaufwand deutlich erhöht durch stark gekrümmte und obliterierte Kanäle“ (Zeit, Schwierigkeit)
- „Besondere Umstände wegen eingeschränkter Mundöffnung des Patienten“ (Umstand)
- „Überdurchschnittlicher Zeitaufwand wegen aufwendiger Mehrfarbenschichtung“ (Zeit)
- „Erhöhte Schwierigkeit bei der Blutstillung wegen Marcumar-Therapie“ (Schwierigkeit/Umstand)
Nur nach vorheriger schriftlicher Vereinbarung mit dem Patienten (§ 2 GOZ).
Kommunikation mit Patient & Versicherung
Eine gute Kommunikation über Kosten und Abrechnung ist wichtig für ein vertrauensvolles Verhältnis und vermeidet Missverständnisse.
Patientenkommunikation:
- Erklären Sie Heil- und Kostenpläne (HKP) verständlich: Was ist geplant? Was zahlt voraussichtlich die Kasse/Versicherung? Was ist der Eigenanteil des Patienten?
- Weisen Sie bei GOZ-Rechnungen auf die Möglichkeit hin, dass die private Versicherung/Beihilfe möglicherweise nicht alle Kosten oder nicht den vollen Steigerungsfaktor erstattet (abhängig vom Vertrag/Tarif des Patienten).
- Gestalten Sie Rechnungen nachvollziehbar, insbesondere die Begründungen für Faktoren über 2,3. Umgang mit Kostenerstattern (PKV, Beihilfe):
- Bei Nachfragen oder Beanstandungen: Bleiben Sie sachlich und kooperativ.
- Reichen Sie bei Bedarf zusätzliche Erläuterungen, Dokumentationsauszüge oder Röntgenbilder ein (Einverständnis des Patienten vorausgesetzt!).
- Verweisen Sie auf die GOZ, Kommentare (z.B. BZÄK-Kommentar) und ggf. Gerichtsurteile.
- Machen Sie deutlich, dass die Erstattungspflicht der Versicherung vom Vertrag abhängt und nicht Ihre korrekte Abrechnung nach GOZ in Frage stellt. Der Patient ist Ihr Vertragspartner und Schuldner.
Stolpersteine und häufige Fehler
Gerade am Anfang passieren leicht Fehler. Hier einige typische Fallstricke:
BEMA-Fehler:
- Nebeneinanderberechnung: Bestimmte Leistungen dürfen nicht am selben Tag oder neben anderen Leistungen abgerechnet werden (z.B. 01 neben vielen anderen Posi.). Informieren Sie sich über die Ausschlüsse Ihrer KZV!
- Frequenz: Überschreitung der erlaubten Häufigkeit (z.B. 01 mehr als 2x/Jahr, 107 mehr als 1x/Jahr).
- Richtlinien: Missachtung der strengen Richtlinien, v.a. bei Endo und PAR (führt zu Ablehnung/Regress).
- Dokumentation: Fehlende Dokumentation der Leistung oder der Indikation. GOZ-Fehler:
- Steigerungsfaktor > 2,3: Fehlende oder unzureichende, pauschale Begründung.
- Vergessene Positionen: Wichtige Begleitleistungen nicht abgerechnet (z.B. GOZ 2197 Adhäsive Befestigung, GOZ 0080 Oberflächenanästhesie, Operationszuschläge 0500ff).
- Falsche Analogberechnung (§ 6 Abs. 1): Auswahl einer nicht gleichwertigen Leistung, fehlende Beschreibung der Analogleistung auf der Rechnung.
- Materialkosten: Nicht oder falsch berechnet (§ 4 Abs. 3 GOZ).
- Selbstständigkeit: Leistungen abgerechnet, die eigentlich Bestandteil einer anderen Leistung sind (z.B. einfache Naht bei Ost nach GOZ 3030ff).
- Vereinbarungen: Fehlende oder formfehlerhafte schriftliche Vereinbarungen (§ 28 Abs. 2 SGB V, § 2 Abs. 3 GOZ, § 2 GOZ). Allgemein:
- Unzureichende oder unleserliche Dokumentation!
Hilfreiche Ressourcen & Weiterlernen
Die Abrechnung ist dynamisch – Gesetze, Verordnungen und Kommentare ändern sich. Kontinuierliches Lernen ist wichtig!
Wichtige Quellen:
- Offizielle Texte: BEMA-Katalog, GOZ-Verordnung, GOÄ, Behandlungs-Richtlinien des G-BA (v.a. Endo, PAR, ZE).
- Kommentare: Der „Liebold/Raff/Wissing“ für BEMA und der Kommentar der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) zur GOZ sind Standardwerke und quasi unverzichtbar! Es gibt auch Kommentare zur GOÄ.
- Ihre KZV und Landeszahnärztekammer (ZÄK): Bieten oft Rundschreiben, Leitfäden, FAQ-Listen und Fortbildungen an. Nutzen Sie deren Beratungsangebote!
- Abrechnungsseminare: Besonders für Einsteiger essenziell! Besuchen Sie Grund- und Aufbaukurse zu BEMA und GOZ. Regelmäßige Update-Seminare sind ebenfalls sinnvoll.
- Praxissoftware: Moderne Programme haben oft BEMA/GOZ integriert, bieten Plausibilitätsprüfungen und helfen bei der Rechnungsstellung. Lernen Sie Ihr Programm gut kennen!
- Fachliteratur & Online-Ressourcen: Es gibt diverse Abrechnungsratgeber und Fachzeitschriften (z.B. ZM – Zahnärztliche Mitteilungen, DZW – Die ZahnarztWoche). Online-Portale und Foren können hilfreich sein, aber prüfen Sie die Informationen kritisch!
- Erfahrene Kollegen / Mentoren: Der Austausch mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen ist Gold wert! Fragen Sie nach!
- Abrechnungsdienstleister: Externe Firmen, die die Abrechnung für Praxen übernehmen. Eine Option, wenn man sich überfordert fühlt oder die Praxis wächst, aber Grundkenntnisse sollte man immer selbst haben.
Fazit & Checkliste für den Start
Die zahnärztliche Abrechnung ist lernbar! Mit einer systematischen Herangehensweise und dem Willen zur kontinuierlichen Fortbildung werden Sie schnell sicherer.
Wichtigste Take-Home Messages:
- BEMA (GKV) und GOZ (Privat) sind zwei verschiedene Welten mit eigenen Regeln.
- Die korrekte Abrechnung ist wirtschaftlich und rechtlich unerlässlich.
- Sorgfältige Planung, umfassende Aufklärung (medizinisch & wirtschaftlich) und korrekte schriftliche Vereinbarungen sind Pflicht.
- Dokumentation ist der Schlüssel – insbesondere für GOZ-Begründungen!
- Kennen Sie die häufigsten Fehler und vermeiden Sie sie.
- Nutzen Sie Ressourcen und bilden Sie sich fort! Checkliste für die tägliche Abrechnung (vereinfacht):
- Anamnese & Befund -> Diagnose(n) stellen.
- Therapieplanung -> Welche Leistungen (BEMA/GOZ)? Alternativen?
- Aufklärung Patient -> Medizinisch & wirtschaftlich (HKP? Vereinbarung nötig?).
- Patient stimmt zu (ggf. schriftliche Vereinbarung unterschreiben lassen!).
- Behandlung durchführen -> Dabei Besonderheiten/Aufwand dokumentieren!
- Leistung in Software eingeben -> Korrekte BEMA/GOZ-Nummern? Faktor? Begründung (>2,3)? Materialkosten?
- Rechnung erstellen / BEMA-Abrechnung durchführen. Trauen Sie sich ran! Mit jedem Fall werden Sie sicherer. Fangen Sie bei den Standardfällen an und arbeiten Sie sich schrittweise zu komplexeren Abrechnungen vor.
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