Einführung – Warum Paragraphen genauso wichtig sind wie Präparationen

Zahnarzt/Zahnärztin: Ein Freier Beruf mit besonderer Verantwortung

Als Zahnärztin oder Zahnarzt gehören Sie zu den Freien Berufen. Dies bedeutet einerseits ein hohes Maß an fachlicher Unabhängigkeit und Selbstständigkeit in Ihren Therapieentscheidungen. Andererseits ist damit aber auch eine ganz besondere persönliche Verantwortung verbunden:

• Verantwortung gegenüber dem Patienten: Sie haben die Pflicht, nach bestem Wissen und Gewissen und nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst (lege artis) zu behandeln, Ihre Patienten umfassend aufzuklären und deren Rechte zu wahren.
• Verantwortung gegenüber der Gesellschaft: Sie tragen zur Gesundheitsversorgung bei und unterliegen daher besonderen gesetzlichen und berufsrechtlichen Regelungen (z.B. Schweigepflicht, Fortbildungspflicht).

Diese Verantwortung wird durch zahlreiche Gesetze und Verordnungen konkretisiert, die Ihren Handlungsrahmen definieren.

Rechtssicherheit – Ein Schutzschild für beide Seiten

Die rechtlichen Regelungen sind nicht nur dazu da, den Patienten zu schützen, sondern bieten auch Ihnen als Behandlerin oder Behandler Sicherheit:

• Schutz für den Patienten: Gesetze wie das Patientenrechtegesetz stellen sicher, dass Patienten umfassend aufgeklärt werden, in Behandlungen einwilligen müssen und Einblick in ihre Unterlagen erhalten. Die Schweigepflicht schützt ihre Privatsphäre.
• Schutz für den Behandler: Wenn Sie die rechtlichen Vorgaben kennen und einhalten – insbesondere bei Aufklärung, Einwilligung und Dokumentation – minimieren Sie Ihr Risiko, für Behandlungsfehler oder Aufklärungsversäumnisse haftbar gemacht zu werden. Sie wissen, welche Pflichten, aber auch welche Rechte Sie haben (z.B. unter welchen Umständen Sie eine Behandlung auch ablehnen dürfen). Klare Regeln schaffen klare Verhältnisse.

Betrachten Sie das Recht also nicht nur als Einschränkung, sondern auch als Leitfaden für korrektes und abgesichertes Handeln.

Konflikte und Haftung vermeiden – Die Spielregeln kennen

Viele Auseinandersetzungen im Praxisalltag – sei es mit Patienten, Krankenkassen, der KZV oder sogar vor Gericht – entstehen oft aus Missverständnissen oder der unbeabsichtigten Verletzung rechtlicher „Spielregeln“.

• Aufklärungsfehler: Eine der häufigsten Ursachen für Haftungsprozesse ist nicht der eigentliche Behandlungsfehler, sondern eine unzureichende Aufklärung über Risiken oder Alternativen.
• Dokumentationsmängel: Eine lückenhafte oder fehlerhafte Dokumentation erschwert im Streitfall den Nachweis, dass korrekt behandelt und aufgeklärt wurde (Beweislast!).
• Abrechnungsfehler: Können zu Ärger mit Patienten und Regressen führen (siehe Abrechnungsleitfaden).
• Werbeverstöße: Unzulässige Werbung kann zu Abmahnungen durch Kammern oder Wettbewerber führen.

Wer die Regeln kennt, kann viele dieser Konflikte proaktiv vermeiden, indem er oder sie von vornherein korrekt aufklärt, sorgfältig dokumentiert und die Grenzen des Erlaubten (z.B. bei der Werbung) beachtet. Das spart Zeit, Nerven und im Ernstfall auch viel Geld.

Ein kurzer Wegweiser durch die Rechtsgebiete

Die für Zahnärzte relevanten Rechtsnormen stammen aus verschiedenen Gebieten. Diese Serie wird Ihnen einen Überblick geben über:

• Das Zivilrecht: Insbesondere das Recht des Behandlungsvertrags im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das die Beziehung zwischen Ihnen und dem Patienten regelt (Aufklärung, Einwilligung, Dokumentation, Haftung).
• Das Strafrecht: Relevant z.B. bei Körperverletzung (auch fahrlässig durch Behandlungsfehler) oder Verletzung der Schweigepflicht.
• Das Berufsrecht: Festgelegt im Zahnheilkundegesetz (ZHG) und den Berufsordnungen der Landeszahnärztekammern (MBO-Z), regelt die Berufsausübung, Pflichten wie Fortbildung und Kollegialität sowie Werbebeschränkungen.
• Das Sozialrecht (Vertragszahnarztrecht): Insbesondere das Sozialgesetzbuch V (SGB V) und der Bundesmantelvertrag (BMV-Z), die die Behandlung von GKV-Patienten und die Abrechnung über BEMA regeln (Wirtschaftlichkeitsgebot, Richtlinien etc.).
• Spezifische Nebengesetze: Wie das Medizinprodukterecht, Strahlenschutzrecht, Infektionsschutzgesetz, Datenschutzrecht (DSGVO), die konkrete Anforderungen an den Praxisbetrieb stellen (siehe auch QM-Leitfaden).
• Weitere Gebiete: Je nach Situation auch Arbeitsrecht (bei Anstellung/als Arbeitgeber) oder Gesellschaftsrecht (bei Praxisformen).

Fazit

Rechtskenntnis ist kein trockenes Orchideenfach für Juristen, sondern ein integraler Bestandteil Ihrer professionellen zahnärztlichen Tätigkeit. Sie ermöglicht Ihnen, Ihre Rechte und Pflichten zu kennen, sicher im Umgang mit Patienten und Institutionen zu agieren und Risiken zu minimieren. Betrachten Sie die Auseinandersetzung mit rechtlichen Aspekten nicht als Last, sondern als notwendiges Werkzeug für eine qualitativ hochwertige, ethische und erfolgreiche Berufsausübung.