
Die Versorgung mit Zahnersatz (ZE) in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) folgt klaren Regeln. Die Zahnersatz-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bilden hierfür die verbindliche Grundlage. Sie definieren, welche Leistungen bezuschusst werden und unter welchen Voraussetzungen dies geschieht. Für Zahnarztpraxen ist die genaue Kenntnis dieser Richtlinien essenziell für eine korrekte Planung, Patientenaufklärung und Abrechnung.
Was sind die Zahnersatz-Richtlinien?
Diese Richtlinien konkretisieren den gesetzlichen Anspruch der GKV-Versicherten auf eine Versorgung mit Zahnersatz gemäß § 28 Abs. 2 SGB V. Das Ziel ist eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung, die medizinisch notwendig ist, um die Kaufunktion wiederherzustellen oder zu verbessern und um Zahnverlust vorzubeugen. Sie legen das System der Regelversorgung und der befundorientierten Festzuschüsse fest.
Das Festzuschuss-System: Strikt Befundorientiert!
Der Kern der GKV-Bezuschussung ist das befundorientierte Festzuschuss-System:
- Befund: Der Zahnarzt erhebt den individuellen Zahnbefund des Patienten (fehlende Zähne, Zustand vorhandener Zähne etc.) und dokumentiert diesen im Heil- und Kostenplan (HKP) Teil 1 mit standardisierten Kürzeln.
- Befundklasse: Jeder zahnmedizinische Befund wird einer oder mehreren Festzuschuss-Befundklassen zugeordnet (z.B. Befundklasse 1 für erhaltungswürdigen Zahn mit Notwendigkeit einer Krone, Klasse 2 für Lückensituationen etc.). Diese sind in den Richtlinien klar definiert.
- Regelversorgung: Für jede Befundklasse ist eine Regelversorgung festgelegt. Dies ist die als GKV-Standard definierte, ausreichende und wirtschaftliche Therapie für diesen spezifischen Befund (z.B. Metallkrone im Seitenzahn, Brücke zum Ersatz eines fehlenden Zahnes, Klammerprothese bei mehreren fehlenden Zähnen).
- Festzuschuss: Jede Befundklasse löst einen festen Euro-Betrag als Zuschuss aus. Dieser Betrag orientiert sich an den Durchschnittskosten der zugeordneten Regelversorgung. Wichtig: Der Festzuschuss wird für den Befund gewährt, unabhängig davon, welche Art von Zahnersatz der Patient tatsächlich wählt (Regelversorgung, gleichartige oder andersartige Versorgung).
Beispiel: Fehlt ein Zahn und die Nachbarzähne sind intakt (Befund 2.1), ist die Regelversorgung oft eine Brücke. Der Patient erhält den Festzuschuss für diesen Befund 2.1. Entscheidet er sich stattdessen für ein Implantat (andersartige Versorgung), erhält er denselben Festzuschuss für Befund 2.1 als Zuschuss zu seiner privaten Implantatbehandlung. Die GKV bezuschusst also den Befund, nicht die spezifische Therapieform (außer bei der Regelversorgung selbst).
Die Regelversorgung: GKV-Standardtherapie
Die Regelversorgung ist die Basisleistung, deren Kosten durch den Festzuschuss zu einem signifikanten Teil abgedeckt werden sollen. Sie umfasst notwendige, wirtschaftliche Standardlösungen. Die genaue Ausgestaltung (z.B. Material, Verblendung bei Kronen/Brücken) ist in den Richtlinien detailliert und oft nach Zahnposition (Verblendgrenzen) differenziert.
Festzuschuss-Höhe und die Rolle des Bonushefts
Der Festzuschuss deckt einen bestimmten Prozentsatz der Durchschnittskosten der Regelversorgung ab:
- Grundzuschuss: 60%
- Nach 5 Jahren lückenloser Vorsorge: 70% (Bonusstufe 1)
- Nach 10 Jahren lückenloser Vorsorge: 75% (Bonusstufe 2)
Das Bonusheft (konventionell oder digital in der ePA) dient dem Nachweis der regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen und ist somit bares Geld für den Patienten wert.
Härtefallregelung (Doppelter Festzuschuss)
Patienten mit geringem Einkommen können bei ihrer Krankenkasse einen Antrag auf Härtefallregelung stellen (§ 55 Abs. 2 SGB V). Wird dieser bewilligt, erhält der Patient mindestens den doppelten Festzuschuss.
- Ziel: Die Regelversorgung soll für Härtefallpatienten komplett kostenfrei sein.
- Bonusheft bei Härtefall: Der Bonus (70%/75%) wird bei der Ermittlung des einfachen Festzuschusses berücksichtigt, der dann verdoppelt wird. Es gibt keine zusätzliche Erhöhung über die Verdopplung hinaus durch das Bonusheft. Die Verdopplung stellt sicher, dass die Kosten der Regelversorgung gedeckt sind.
Versorgungsformen und Mehrkosten
- Regelversorgung: Standardtherapie, Abrechnung nach BEMA (Zahnarzt) und BEL II (Labor). Patient zahlt Eigenanteil (Differenz Kosten Regelversorgung minus Festzuschuss).
- Gleichartige Versorgung: Regelversorgung wird gewählt, aber mit zusätzlichen privaten Leistungen (z.B. Vollverblendung statt Teilverblendung, höherwertiges Material). Abrechnung erfolgt komplett nach GOZ (Zahnarzt) und BEB (Labor). Der Festzuschuss wird von der Privatrechnung abgezogen.
- Andersartige Versorgung: Eine völlig andere Therapie als die Regelversorgung wird gewählt (z.B. Implantat statt Brücke/Prothese). Abrechnung erfolgt komplett nach GOZ/BEB. Der Festzuschuss für die Regelversorgung, die für den Befund eigentlich vorgesehen wäre, wird von der Privatrechnung abgezogen.
Der Heil- und Kostenplan (HKP)
Vor Beginn jeder Zahnersatzbehandlung ist ein HKP zu erstellen und der Krankenkasse zur Genehmigung vorzulegen. Er schafft Transparenz über:
- Befund und geplante Therapie (Regelversorgung und ggf. davon abweichende Planung)
- Voraussichtliche Kosten (Zahnarzthonorar nach BEMA/GOZ, Laborkosten nach BEL II/BEB)
- Ausgewiesener Festzuschuss der GKV (abhängig von Befund und Bonus)
- Voraussichtlicher Eigenanteil des Patienten
- Klare Ausweisung von eventuellen Mehrkosten für Wunschleistungen (bei gleich-/andersartiger Versorgung).
Pflichten des Zahnarztes bei der ZE-Planung
- Befundung & Planung: Korrekte Erhebung des Befundes als Basis für den Festzuschuss. Planung der medizinisch indizierten Versorgung.
- Wirtschaftlichkeitsgebot: Berücksichtigung der Regelversorgung als wirtschaftliche Basis.
- Aufklärung: Umfassende Aufklärung des Patienten über Befund, Regelversorgung, Alternativen (auch gleich-/andersartige), Vor- und Nachteile sowie Kosten (§ 630c, 630e BGB).
- Dokumentation: Nachvollziehbare Dokumentation der Planung und der Patientenaufklärung in der Akte.
- HKP-Management: Korrekte Erstellung, Einholung der Genehmigung, ggf. Aktualisierung bei Planänderungen.
Fazit
Die Zahnersatz-Richtlinien und das befundorientierte Festzuschuss-System bilden den komplexen, aber verbindlichen Rahmen für die GKV-Versorgung mit Zahnersatz. Ein tiefes Verständnis der Befundklassen, der Regelversorgungen und der Abrechnungsmodalitäten ist für Zahnärzte unerlässlich, um Patienten korrekt zu beraten, eine wirtschaftliche Versorgung zu gewährleisten und Regresse zu vermeiden. Die klare Kommunikation mit dem Patienten über Befund, Optionen und Kosten ist dabei von zentraler Bedeutung.
Quellen:
- Zahnersatz-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA): (Aktuelle Fassung verfügbar auf https://www.g-ba.de/richtlinien/26/)
- Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V): Insbesondere § 28 (Zahnersatz), § 55 (Festzuschüsse), § 56 (Ausführungsvorschriften). (Verfügbar über https://www.gesetze-im-internet.de)
- Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV): Informationen, Leitfäden, Ausfüllhilfen zu Festzuschüssen, HKP, BEMA, BEL II. (Verfügbar auf https://www.kzbv.de)
- Bundeszahnärztekammer (BZÄK): Informationen zu GOZ, Patientenrechten, Berufsordnung. (https://www.bzaek.de)
- Informationen der jeweiligen Landes-KZV: Oft spezifische Abrechnungshinweise und Seminare.
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