9.2.6 Telemedizin / Entwicklung von Dentalsoftware
Ziel & Einführung: Dieser Karriereweg befasst sich mit der Anwendung und Entwicklung digitaler Technologien in der Zahnmedizin. Das kann von der Bereitstellung telezahnmedizinischer Dienstleistungen (Beratung, Monitoring aus der Ferne) bis hin zur Mitarbeit an der Entwicklung von Software für Praxismanagement (PVS), Bildgebung (Röntgen, Scan), Diagnostik (KI-Unterstützung), Behandlungsplanung (CAD/CAM, Implantologie, KFO) oder Patientenkommunikation reichen. Es ist ein dynamisches Feld für Zahnärzte mit hoher IT-Affinität und Interesse an der Gestaltung digitaler Prozesse im Gesundheitswesen.
Typische Arbeitsumfelder & Arbeitgeber
- Health Tech Start-ups: Junge Unternehmen, die innovative digitale Lösungen speziell für die Zahnmedizin entwickeln (z.B. Tele-Plattformen, KI-Diagnostik-Tools, Patienten-Apps, neue Workflow-Software). Oft sehr dynamisch, agil, aber auch risikoreicher.
- Etablierte Dental-Software-Anbieter: Unternehmen, die Praxisverwaltungs-, Bildgebungs- oder CAD/CAM-Software entwickeln und vertreiben (Beispiele: Dampsoft, Charly by Solutio, Evident, Z1/CGM, DS-Win, Exocad/Align Technology, 3Shape etc.).
- Gerätehersteller (mit Software-Entwicklung): Firmen, die Hardware (Scanner, DVT, Fräsen etc.) mit integrierter Software anbieten (Beispiele: Dentsply Sirona, Planmeca, KaVo Kerr, Straumann Group etc.). Benötigen zahnärztlichen Input für Software-Design und Workflow-Integration.
- Forschungsinstitute / Universitäten: Arbeitsgruppen, die sich mit der Entwicklung und Validierung von KI in der Zahnmedizin, digitalen Workflows oder telezahnmedizinischen Versorgungsmodellen beschäftigen (siehe auch 9.2.1 Forschung).
- Selbstständigkeit: Gründung eines eigenen Start-ups (erfordert IT- und Business-Know-how) oder Angebot von telezahnmedizinischen Beratungen im Rahmen der berufsrechtlichen Möglichkeiten.
- Krankenkassen / Versicherungen (seltener): Ggf. Mitarbeit bei der Bewertung oder Implementierung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGAs) oder telemedizinischer Programme.
Typische Rollen & Tätigkeiten für Zahnärzte
- Clinical Advisor / Subject Matter Expert:
- Einbringen der zahnärztlichen Perspektive in Software-Entwicklungsteams.
- Definition von klinischen Anforderungen an Software und digitale Workflows.
- Testen von Prototypen und neuen Software-Versionen auf Benutzerfreundlichkeit (Usability) und klinische Sinnhaftigkeit.
- Unterstützung bei der klinischen Validierung von Produkten.
- Product Manager (Software / Digital Health):
- Verantwortung für die strategische Ausrichtung, Entwicklung und Markteinführung digitaler Dentalprodukte (siehe auch 9.2.2 Industrie).
- Medical/Clinical Input für KI-Entwicklung:
- Mitarbeit beim Training von KI-Algorithmen (z.B. durch Annotation von Röntgenbildern, Scans).
- Validierung der Ergebnisse von KI-Diagnose- oder Planungstools.
- Sicherstellung der klinischen Relevanz und Sicherheit von KI-Anwendungen.
- Tele-Consultant / Telezahnarzt:
- Durchführung von Fernberatungen, Befundbesprechungen oder Monitoring über spezielle Plattformen.
- Wichtig: Die Möglichkeiten sind durch das (gelockerte, aber noch vorhandene) Fernbehandlungsverbot und die Berufsordnungen der LZKs begrenzt. Reine Fernbehandlung ist oft nicht oder nur sehr eingeschränkt zulässig. Meist geht es um Beratung oder Zweitmeinung. Die genauen Regelungen der jeweiligen LZK sind zu beachten!
- Workflow Integration / Usability Specialist:
- Analyse und Optimierung der Integration digitaler Tools in den Praxisalltag.
- Schulung von Anwendern (Zahnärzte, Praxisteams) in der Nutzung neuer Software oder digitaler Prozesse.
- Sammeln von Nutzerfeedback zur Produktverbesserung.
- Content Creator / Medical Education (Digital Focus):
- Erstellung von digitalen Lerninhalten (E-Learnings, Tutorials, Videos, Webinare) zu Dentalsoftware oder digitalen Themen.
Benötigte Fähigkeiten & Qualifikationen
- Basis: Approbation als Zahnarzt/Zahnärztin, klinische Erfahrung ist meist essenziell.
- Hohe IT-Affinität & Digitales Verständnis: Begeisterung für Technologie, Verständnis für digitale Prozesse, idealerweise Grundkenntnisse über Softwareentwicklung (z.B. agile Methoden), Datenbanken oder KI.
- Analytisches & Strukturiertes Denken: Für Anforderungsdefinition, Prozessanalyse, Datenbewertung.
- Kommunikationsfähigkeit: „Übersetzung“ zwischen Klinik und IT, Schulung von Anwendern, Präsentation von Lösungen.
- Innovationsfreude & Problemlösungskompetenz: Kreativität bei der Entwicklung neuer digitaler Ansätze.
- Gute Englischkenntnisse: Die Tech-Welt ist international.
- Kenntnisse relevanter Regularien: Medical Device Regulation (MDR) für medizinische Software, Datenschutz (DSGVO), spezifische Regeln zur Telemedizin (Berufsordnungen).
- Zusatzqualifikation (optional, aber hilfreich): Studium/Kurse in Medizininformatik, Gesundheitsinformatik, Data Science, Künstliche Intelligenz, User Experience (UX) / User Interface (UI) Design, Projektmanagement.
Wege in dieses Berufsfeld
- Quereinstieg durch Interesse: Oft starten Zahnärzte, die sich in der eigenen Praxis intensiv mit Digitalisierung beschäftigen, als Power-User, Beta-Tester oder Referenten für bestimmte Software/Geräte und wechseln dann zum Anbieter.
- Direktbewerbung: Bei Softwarehäusern, Medizintechnik-Unternehmen oder Health Tech Start-ups auf Positionen wie „Clinical Advisor“, „Product Manager Digital Dentistry“ etc.
- Zusatzstudium: Ein Master in Medizininformatik o.ä. kann Türen öffnen.
- Gründung eines Start-ups: Erfordert eine innovative Idee, Businessplan, Finanzierung und meist Partner mit IT-Expertise. Hohes Risiko.
- Netzwerken: Besuch von Digital-Health-Konferenzen, Dental-Messen mit Digital-Fokus, Kontaktaufnahme über LinkedIn etc.
Finanzielle Aspekte
- Gehälter: Die Vergütung in diesem Feld ist sehr heterogen und hängt stark vom Arbeitgebertyp ab.
- Start-ups: Bieten oft niedrigere Grundgehälter als etablierte Firmen, können aber durch Aktienoptionen oder Unternehmensanteile (Equity) ein hohes Potenzial bei Erfolg bieten. Das Risiko ist jedoch hoch.
- Etablierte Software-/Gerätehersteller: Gehälter sind meist vergleichbar mit anderen Industrie-Positionen (siehe Abschnitt 9.2.2), basierend auf Verhandlung, Erfahrung und Rolle. Gute Gehälter mit variablen Anteilen und Benefits sind möglich.
- Forschung (Universität/Institut): Vergütung nach öffentlichen Tarifen (TV-L/TV-Ärzte), siehe Abschnitt 9.2.1.
- Selbstständige Tele-Beratung: Einkommen hängt vollständig von der Akquise von Klienten/Patienten und den Abrechnungsmöglichkeiten ab (meist privat/GOZ, da GKV-Erstattung für reine Telezahnmedizin noch sehr begrenzt ist).
- Vergleich: Das Einkommenspotenzial kann von moderat (Forschung, Start-up-Anfangsphase) bis sehr hoch reichen (erfolgreiches Start-up, hohe Position in etablierter Firma). Es ist oft weniger vorhersehbar als in traditionellen Pfaden, insbesondere zu Beginn.
Ressourcen für Gehaltsinformationen: Allgemeine Gehaltsportale, Branchen-Networking, spezialisierte Personalberatungen im Tech-/Health-Bereich.
Pro und Contra
Vorteile: Arbeit in einem innovativen Zukunftsfeld, Mitgestaltung der Digitalisierung in der Zahnmedizin, Kombination von zahnmedizinischem und technischem Interesse, oft flexible Arbeitsmodelle möglich (Remote Work), Beitrag zu Effizienz und Zugangsverbesserungen, spannende Lernkurve. Nachteile: Schnelllebige Technologie (ständiger Lernbedarf), Rollen und Anforderungen können sich rasch ändern, Erfolg oft von Technologie-Akzeptanz oder Start-up-Entwicklung abhängig, regulatorische Unsicherheiten (v.a. Telemedizin, KI), möglicherweise viel Bildschirmarbeit und weniger Patientenkontakt, Gehaltsunsicherheit bei Start-ups.
Ressourcen
- Regelungen zur Fernbehandlung: Prüfen Sie die Berufsordnung Ihrer zuständigen Landeszahnärztekammer (Links siehe Abschnitt 3.2) auf die aktuell gültigen Paragrafen zur Fernberatung/-behandlung.
- Karriereseiten von Dentalsoftware-/Technologie-Anbietern: (z.B. Dampsoft, Exocad, 3Shape – siehe Links in 9.2.2)
- Jobportale für Tech-/Start-up-Szene: Suchen Sie auch auf Portalen wie Berlin Startup Jobs, Startup Jobs Germany etc. nach Health Tech Rollen.
- Verbände im Bereich Gesundheits-IT: z.B. Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) – bvitg.de (bietet Brancheninfos).
- Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) Verzeichnis: Bietet Einblick in zugelassene digitale Gesundheits-Apps (auch wenn wenige rein dental sind). DiGA Verzeichnis BfArM
Tipp: Wenn Sie sich für diesen Bereich interessieren, eignen Sie sich eigenständig Wissen über digitale Trends in der Zahnmedizin, Softwareentwicklungsgrundlagen oder KI an. Netzwerken Sie gezielt in der Health-Tech-Szene.