
Direkte Auswirkungen der Tumortherapie (Chemo-, Strahlentherapie, zielgerichtete Therapien, Antiresorptiva) auf die Mundhöhle und den Kieferknochen sind häufig und oft schwerwiegend. Beeinflusst Behandlungsplanung und Prognose dramatisch.
Schlüsselfragen & Vertiefung:
- „Hatten oder haben Sie eine Krebserkrankung? Wenn ja, welche Art von Tumor?“
- „Wann wurde die Diagnose gestellt?“
- „Welche Behandlungen wurden durchgeführt oder sind geplant?“ (Genaue Nachfrage!)
- Operation? (Wo? Gab es Komplikationen?)
- Chemotherapie? (Welche Medikamente [Zytostatika]? Wann? Wie viele Zyklen?)
- Strahlentherapie? (Wurde der Kopf-/Halsbereich bestrahlt? Wenn ja, wann und mit welcher Dosis, falls bekannt?)
- Andere Medikamente? (z.B. Antihormontherapie, Immuntherapie, zielgerichtete Therapien [„-nibs“, „-mabs“], Bisphosphonate/Denosumab bei Knochenmetastasen?)
- „Wie ist Ihr aktueller Status (in Remission, unter Therapie, palliativ)?“
Zahnärztliche Implikationen & Management:
- Prä-Therapeutische Sanierung: Vor Beginn einer Strahlentherapie im Kopf-/Halsbereich und vor Beginn einer Therapie mit hochdosierten IV-Bisphosphonaten oder Denosumab (onkologische Indikation) ist eine umfassende zahnärztliche Untersuchung und Sanierung zwingend erforderlich! Alle Zähne mit Infektionspotenzial oder zweifelhafter Prognose müssen vorher entfernt/saniert werden, um spätere Extraktionen im kompromittierten Bereich zu vermeiden!
- Folgen der Kopf-/Hals-Bestrahlung:
- Xerostomie: Oft schwer und permanent durch Schädigung der Speicheldrüsen -> massiv erhöhtes Risiko für Strahlenkaries (typischerweise zervikal/inzisal).
- Mukositis: Schmerzhafte Entzündung der Schleimhäute während und nach der Bestrahlung.
- Geschmacksverlust/-veränderung.
- Osteoradionekrose (ORN): Schwere Komplikation mit freiliegendem, nekrotischem Knochen nach Trauma (v.a. Extraktion) im bestrahlten Kieferbereich. Heilung extrem schwierig. Extraktionen im bestrahlten Knochen sind hochriskant und sollten möglichst vermieden werden! Wenn unvermeidbar: Nur unter besonderen Kautelen (Antibiotikaschutz, ggf. hyperbare Oxygenierung [HBO] – Planung durch MKG-/Oralchirurgen).
- Management: Lebenslange, engmaschige zahnärztliche Betreuung! Intensive Prophylaxe (PZR alle 3 Monate), tägliche hochdosierte Fluoridierung (Gel/Schiene), Speichelersatzmittel, Ernährungsberatung.
- Folgen der Chemotherapie:
- Mukositis: Häufig, schmerzhaft. Management: Spülungen, Schmerztherapie.
- Immunsuppression (Neutropenie): Erhöhtes Infektionsrisiko. Ggf. Antibiotikaprophylaxe bei Eingriffen während der Neutropenie-Phase (Arztrücksprache!).
- Thrombozytopenie: Erhöhtes Blutungsrisiko.
- Candidose, Herpes-Reaktivierung.
- Folgen von Bisphosphonaten/Denosumab (onkologische Indikation): Höheres MRONJ-Risiko als bei Osteoporose-Therapie (siehe Abschnitt 7).
- Allgemeinzustand: Tumorpatienten sind oft geschwächt, haben ein höheres Infektionsrisiko und eine schlechtere Wundheilung. Behandlungen kurz und atraumatisch gestalten.
Hintergrund & Merkhilfen: Die Zahnmedizin spielt eine entscheidende Rolle im Supportivmanagement von Krebspatienten. Die Prävention von oralen Komplikationen verbessert die Lebensqualität und ermöglicht oft erst die Durchführung der Krebstherapie. Enge Zusammenarbeit mit dem behandelnden Onkologen/Strahlentherapeuten ist unerlässlich!
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