- Relevanz für die Zahnmedizin: Hohes Potenzial für medizinische Notfälle (Herzinfarkt, Angina Pectoris, hypertensive Krise, Schlaganfall), signifikantes Blutungsrisiko durch Medikamente, Notwendigkeit einer Endokarditisprophylaxe bei bestimmten Risikogruppen, Interaktionen mit Lokalanästhetika.
- Schlüsselfragen & Vertiefung:
- „Haben Sie Probleme mit dem Herzen oder dem Kreislauf? Wenn ja, welche genau?“ (Offen beginnen)
- Bluthochdruck (Arterielle Hypertonie): „Wurde bei Ihnen Bluthochdruck festgestellt? Seit wann? Nehmen Sie Medikamente dagegen? Welche? Wissen Sie, wie gut Ihr Blutdruck eingestellt ist (letzte Messwerte)? Messen Sie regelmäßig?“
- Koronare Herzkrankheit (KHK): „Hatten Sie schon einmal einen Herzinfarkt? Oder Schmerzen/Engegefühl in der Brust (Angina Pectoris)? Wann war das? Wie stabil ist Ihr Zustand? Haben Sie ein Nitro-Spray für Notfälle dabei?“
- Herzrhythmusstörungen: „Sind Herzrhythmusstörungen bei Ihnen bekannt? Welche Art (z.B. Vorhofflimmern)? Nehmen Sie Medikamente dagegen?“
- Herzinsuffizienz (Herzschwäche): „Leiden Sie an Herzschwäche? Merken Sie das im Alltag (z.B. Luftnot bei Anstrengung, geschwollene Beine)?“
- Herzklappenerkrankungen / Zustand nach Klappen-OP: „Haben Sie ein Problem mit einer Herzklappe oder eine künstliche Herzklappe? Wurden Sie deswegen schon operiert?“
- Angeborene Herzfehler: „Haben Sie einen angeborenen Herzfehler? Welchen? Wurde dieser korrigiert?“
- Zustand nach Schlaganfall (Apoplex): „Hatten Sie schon einmal einen Schlaganfall? Wann? Gibt es bleibende Einschränkungen?“
- Herzschrittmacher / Defibrillator (ICD): „Tragen Sie einen Herzschrittmacher oder einen Defibrillator?“ (Typ/Alter erfragen, falls bekannt).
- Endokarditisprophylaxe: „Wurde Ihnen schon einmal gesagt, dass Sie vor zahnärztlichen Eingriffen Antibiotika zum Schutz des Herzens einnehmen müssen?“
- !! Blutverdünnende Medikamente (Antikoagulantien / Thrombozytenaggregationshemmer): „Nehmen Sie Medikamente zur Blutverdünnung ein? Welches genau? (Wichtige Beispiele: ASS/Aspirin®, Clopidogrel/Plavix®, Prasugrel/Efient®, Ticagrelor/Brilique® [Thrombozytenaggregationshemmer]; Marcumar®/Phenprocoumon, Warfarin [Vitamin-K-Antagonisten]; Apixaban/Eliquis®, Rivaroxaban/Xarelto®, Edoxaban/Lixiana®, Dabigatran/Pradaxa® [DOAKs/NOAKs]). Warum nehmen Sie dieses Medikament ein?“
- Zahnärztliche Implikationen & Management:
- Blutungsmanagement: Bei Einnahme von Antikoagulantien/Thrombozytenaggregationshemmern besteht ein erhöhtes Blutungsrisiko bei allen invasiven Eingriffen (Extraktionen, PA-Chirurgie, Implantate, tiefe Kürettagen).
- Vitamin-K-Antagonisten (Marcumar®): Aktuellen INR-Wert (< 72h alt) erfragen/anfordern (Zielbereich meist 2.0-3.0, für dentale Eingriffe oft < 3.0 tolerabel, aber immer individuell und nach Rücksprache mit Verordner entscheiden!). Niemals eigenmächtig absetzen lassen!
- DOAKs/NOAKs: Haben kürzere Halbwertszeiten. Ggf. Pausierung/Timing-Anpassung nur nach strenger Indikation und Rücksprache mit Verordner. Es gibt spezifische Leitlinien zum perioperativen Management.
- Thrombozytenaggregationshemmer (ASS, Clopidogrel etc.): Werden seltener pausiert, v.a. ASS 100 oft belassen. Duale Plättchenhemmung (z.B. nach Stent) ist höheres Risiko. Immer Arztrücksprache bei geplanter Pausierung!
- Management: Lokale blutstillende Maßnahmen intensivieren (sorgfältige Kürettage, Kompression, dichter Wundverschluss/Naht, Kollagenvlies, ggf. Tranexamsäure-Spülung/Tupfer – CAVE: systemische Antifibrinolytika nur nach ärztlicher Anordnung!). Aufklärung über Nachblutungsrisiko.
- Notfallprävention/-management: Bei instabiler KHK, schwerer Herzinsuffizienz, unkontrolliertem Bluthochdruck besteht erhöhtes Notfallrisiko.
- Stressreduktion: Kurze Termine (vormittags), ruhige Atmosphäre, suffiziente Lokalanästhesie, ggf. präoperative Anxiolyse (nach Abklärung!).
- Vitalparameter-Monitoring: Blutdruck/Puls vor/während/nach Eingriff messen.
- Notfallausrüstung: Sauerstoff, Blutdruckmessgerät, Nitro-Spray, Notfallmedikamente müssen griffbereit sein. Notfallalgorithmen müssen bekannt sein.
- Lokalanästhesie: Vasokonstriktor-Zusatz (Adrenalin/Epinephrin) kann bei bestimmten Patienten problematisch sein (Tachykardie, Blutdruckanstieg). Vorsicht bei: schlecht eingestellter Hypertonie, schwerer KHK, bestimmten Rhythmusstörungen, Einnahme von trizyklischen Antidepressiva oder nicht-selektiven Betablockern.
- Management: Adrenalin-Dosis reduzieren (max. 0,04 mg empfohlen bei Risikopatienten), langsam injizieren, sorgfältig aspirieren. Alternativen: Anästhetika mit geringerem Adrenalin-Gehalt, mit Felypressin (Octapressin® – CAVE: nicht bei Schwangeren!) oder ohne Vasokonstriktor (kürzere Wirkdauer!).
- Endokarditisprophylaxe: Nur bei Patienten mit kardialem Hochrisiko nach aktueller Leitlinie (z.B. Zustand nach Endokarditis, künstliche Herzklappen, bestimmte komplexe angeborene Herzfehler). Standard: 2g Amoxicillin (Erw.) 30-60 Min. vor dem Eingriff. Bei Penicillinallergie: Clindamycin 600mg. Genaue Indikation und Durchführung kennen!
- Herzschrittmacher/ICD: Potenzielle elektromagnetische Interferenz durch einige zahnärztliche Geräte (Elektrochirurgiegeräte, ältere Ultraschallscaler). Moderne Geräte sind meist gut abgeschirmt. Im Zweifel: Rücksprache mit Kardiologen, alternative Verfahren nutzen (z.B. Handinstrumente statt Ultraschall).
- Blutungsmanagement: Bei Einnahme von Antikoagulantien/Thrombozytenaggregationshemmern besteht ein erhöhtes Blutungsrisiko bei allen invasiven Eingriffen (Extraktionen, PA-Chirurgie, Implantate, tiefe Kürettagen).
- Hintergrund & Merkhilfen: Das Herz-Kreislauf-System reagiert empfindlich auf Stress und Schmerz. Medikamente beeinflussen Gerinnung und Kreislaufregulation. Denken Sie an die ASA-Klassifikation zur Risikoeinschätzung. Merke: Bei Blutverdünnern und Endokarditis-Fragen ist die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt fast immer der sicherste Weg!
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