Relevanz für die Zahnmedizin: Direkte Gefahr von unkontrollierbaren Blutungen bei invasiven Eingriffen. Kann Hinweis auf unerkannte Systemerkrankungen (z.B. Lebererkrankungen, Vitamin-K-Mangel, angeborene Gerinnungsstörungen) sein. Anämie kann die Belastbarkeit und Wundheilung beeinflussen. Schlüsselfragen & Vertiefung:
- „Bluten Sie nach Verletzungen oder Schnitten ungewöhnlich lange?“
- „Hatten Sie nach früheren Zahnentfernungen oder Operationen Probleme mit Nachblutungen?“
- „Bekommen Sie leicht blaue Flecken (Hämatome) oder haben Sie manchmal spontanes Nasenbluten?“
- „Ist bei Ihnen oder in Ihrer Familie eine Blutgerinnungsstörung bekannt?“ (Gezielt nachfragen: Hämophilie A/B [Bluterkrankheit], von-Willebrand-Syndrom?)
- „Ist bei Ihnen eine Blutarmut (Anämie) festgestellt worden?“
- (Erneuter Abgleich mit Medikamentenliste): „Nehmen Sie blutverdünnende Medikamente ein?“ (siehe Abschnitt 1 und 3).
Zahnärztliche Implikationen & Management:
- Erhöhtes Blutungsrisiko: Bei jeder Maßnahme, die zu einer Blutung führt (Extraktion, PA-Therapie, Chirurgie, Biopsie, manchmal sogar tiefe Zahnreinigung bei starker Entzündung).
- Management bei erhöhtem Risiko:
- Abklärung/Diagnose: Bei Verdacht auf eine bisher unbekannte Störung Überweisung zum Hausarzt/Hämatologen zur Abklärung.
- Interdisziplinäre Absprache: Bei bekannter Gerinnungsstörung oder relevanter Antikoagulation immer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt/Hämatologen vor jedem invasiven Eingriff! Abklärung: Muss die Medikation angepasst werden? Ist eine Substitution von Gerinnungsfaktoren (z.B. bei Hämophilie) nötig?
- Laborwerte: Ggf. aktuelle Gerinnungswerte anfordern (Quick/INR bei Marcumar®, PTT, Thrombozytenzahl etc.).
- Perioperatives Management:
- Atraumatische Operationstechnik ist essenziell.
- Lokale Blutstillung optimieren: Sorgfältige Wundtoilette (Entfernung von Granulationsgewebe!), primärer Wundverschluss durch dichte Naht, Kompression (Aufbisstupfer), Verwendung resorbierbarer hämostatischer Materialien (Kollagen- oder Gelatineschwämmchen, oxidierte Zellulose), ggf. Anwendung von Fibrinkleber oder Tranexamsäure (lokal als Spülung oder getränkter Tupfer – systemische Gabe nur durch Arzt!).
- Medikamentenwahl postoperativ: Keine NSAIDs (wie Ibuprofen, Diclofenac, Aspirin) zur Schmerztherapie, da diese die Thrombozytenfunktion zusätzlich hemmen! Mittel der Wahl: Paracetamol, ggf. Metamizol oder Opioide (nach Indikation).
- Postoperative Überwachung & Instruktion: Patienten detailliert über Verhalten bei Nachblutung aufklären, Notfallkontakt ermöglichen, ggf. engmaschige Kontrolle.
- Anämie: Schwere Anämie kann zu erhöhter Ermüdbarkeit, Kurzatmigkeit und schlechterer Wundheilung führen. Bei sehr niedrigen Werten ggf. elektive Eingriffe verschieben und Ursache abklären lassen.
Hintergrund & Merkhilfen: Die Blutgerinnung ist eine komplexe Kaskade. Störungen können angeboren oder erworben sein (z.B. durch Medikamente, Lebererkrankungen, Vitaminmangel). Merke: Unerklärliche, starke Blutungen bei oder nach einem Eingriff sind ein Alarmsignal und erfordern sofortiges Handeln und Abklärung!
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