Relevanz für die Zahnmedizin: Enorme Bedeutung! Direkte Schädigung von Hart- und Weichgeweben, massiv erhöhtes Risiko für Parodontitis, Periimplantitis und orale Karzinome, beeinträchtigte Wundheilung, Medikamenteninteraktionen, Compliance-Probleme. Schlüsselfragen & Vertiefung:
- Rauchen: „Rauchen Sie? Wenn ja, was (Zigaretten, Zigarren, Pfeife, E-Zigarette, Wasserpfeife/Shisha)? Wie viel konsumieren Sie pro Tag/Woche? Seit wie vielen Jahren rauchen Sie?“ (Quantifizierung wichtig für Risikoeinschätzung – Packungsjahre [Pack Years = Päckchen pro Tag * Raucherjahre]).
- Alkohol: „Trinken Sie Alkohol? Wenn ja, wie oft (täglich, wöchentlich, selten)? Was und wie viel trinken Sie dann ungefähr an einem typischen Tag/Abend?“ (Konkrete Beispiele erfragen: Bier, Wein, Schnaps). Bei Verdacht auf problematischen Konsum ggf. CAGE-Fragen stellen (sensibel!).
- Andere Drogen: „Konsumieren Sie aktuell oder haben Sie früher andere Substanzen oder Drogen konsumiert, z.B. Cannabis, Kokain, Amphetamine (Speed), Ecstasy, Heroin oder andere?“ (Taktvolle, aber direkte Frage, Vertraulichkeit zusichern).
Zahnärztliche Implikationen & Management:
- Rauchen:
- Detaillierte Auswirkungen: Vasokonstriktion -> verminderte Durchblutung -> schlechtere Sauerstoff- und Nährstoffversorgung des Gewebes -> massiv gestörte Wundheilung (Weichgewebe und Knochen!). Beeinträchtigte Immunantwort (Neutrophilenfunktion gestört). Veränderte subgingivale Mikroflora. Höheres Risiko für Parodontitis (schwerere Verläufe, schlechteres Ansprechen auf Therapie), Periimplantitis und Implantatverlust. Hauptrisikofaktor für orale Plattenepithelkarzinome und präkanzeröse Läsionen (Leukoplakien). Erhöhtes Risiko für Alveolitis sicca („dry socket“) nach Extraktionen. Ästhetik: Zahnverfärbungen, „Rauchergaumen“.
- Management: Eindringliche, aber nicht vorwurfsvolle Aufklärung über die spezifischen oralen Risiken. Motivation zur Raucherentwöhnung anbieten/unterstützen (Hinweis auf Programme, ggf. Nikotinersatztherapie ansprechen – Arztrücksprache). Prognose von PA-Therapie und Implantaten realistisch (schlechter!) einschätzen und kommunizieren. Engmaschige Kontrollen und PZR.
- Alkohol (v.a. chronischer Missbrauch):
- Direkte orale Effekte: Xerostomie, erhöhte Permeabilität der Mundschleimhaut.
- Indirekte Effekte: Erhöhtes Karzinomrisiko (synergistisch mit Rauchen!). Potenzielle Leberschädigung -> Gerinnungsstörungen (Thrombozytopenie, Mangel an Gerinnungsfaktoren), veränderter Medikamentenabbau (LA, Analgetika, Antibiotika). Vernachlässigung der Mundhygiene und Ernährungsmängel. Ggf. geringere Compliance/Therapietreue. Akute Intoxikation: Keine Behandlung möglich, erhöhtes Unfallrisiko. Interaktionen: Verstärkte Sedierung mit zentral dämpfenden Mitteln. Disulfiram-ähnliche Reaktion mit Metronidazol (Übelkeit, Erbrechen).
- Management: Bei Verdacht auf chron. Missbrauch Risiken ansprechen, ggf. zur ärztlichen Abklärung/Beratung raten. Leberwerte/Gerinnung prüfen lassen vor invasiven Eingriffen. Mundhygiene fördern.
- Andere Drogen:
- Stimulanzien (Kokain, Amphetamine/Methamphetamin [„Crystal Meth“]): Starke Xerostomie, Bruxismus, exzessiver Konsum zuckerhaltiger Getränke -> Rampant Karies („Meth Mouth“), Erosionen. Kardiovaskuläre Risiken (Tachykardie, Hypertonie, Arrhythmien) -> Keine Vasokonstriktoren (Adrenalin) im LA verwenden bei akutem oder kürzlichem Konsum! Gefahr hypertensiver Krisen, Herzinfarkt. Keine Behandlung bei akuter Intoxikation! Erhöhte motorische Unruhe.
- Cannabis (Marihuana, Haschisch): Xerostomie, erhöhte Inzidenz von Gingivitis/Parodontitis, Candidose. Bei Rauchen: Karzinomrisiko. Potenzierung der Wirkung von Sedativa. Ggf. veränderte Schmerzwahrnehmung.
- Opioide (Heroin, verschriebene Opioide): Xerostomie, oft vernachlässigte Mundhygiene, hohe Kariesrate. Suchtpotenzial bei Verordnung starker Schmerzmittel berücksichtigen! Atemdepression bei Überdosierung/Kombination mit Sedativa.
- Generell bei Drogenkonsum: Oft schlechte Mundhygiene, hohe Karies- und Parodontitisprävalenz, geringe Compliance, Misstrauen gegenüber medizinischem Personal. Finanzielle Probleme können Behandlung erschweren.
- Management: Nicht wertend sein, Vertrauen aufbauen. Risiken klar benennen. Fokus auf Prävention (Mundhygiene, Fluoridierung, Ernährungsberatung). Vorsicht bei Medikamentenverordnung (Interaktionen, Suchtpotenzial). Keine Behandlung bei akuter Intoxikation!
Hintergrund & Merkhilfen: Diese Faktoren haben oft einen größeren Einfluss auf die Mundgesundheit und den Therapieerfolg als viele Systemerkrankungen. Die Anamnese erfordert Taktgefühl, ist aber unverzichtbar. Merke: Das Erkennen und Ansprechen dieser Risiken ist Teil unserer ärztlichen Verantwortung.
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