Neben den bereits intensiv besprochenen Bereichen Hygiene, Notfallmanagement und Gerätesicherheit (Artikel 3b & 3c) gibt es weitere zentrale Abläufe in der Zahnarztpraxis, deren systematische Gestaltung durch Qualitätsmanagement (QM) zu mehr Sicherheit, Effizienz und Patientenzufriedenheit beiträgt.
4. Patientenprozesse (Aufnahme, Verwaltung, Terminmanagement)
Der erste Eindruck und die organisatorischen Abläufe prägen die Patientenerfahrung maßgeblich.
- Terminmanagement:
- Ziel: Effiziente Planung, Minimierung von Wartezeiten, Vermeidung von Leerlauf.
- QM-Aspekte: Festlegung von Zeitfenstern für bestimmte Behandlungsarten, Einplanung von Pufferzeiten für Schmerz-/Notfälle und Verzögerungen, System zur Terminvergabe (digital/analog), Regelungen für Terminabsagen/-verschiebungen (Recall!), System für Terminerinnerungen (z.B. SMS, E-Mail – DSGVO-konform!). Welche Informationen werden bei der Terminvergabe abgefragt (Neupatient? Anliegen? Versicherung?)?
- Nutzen: Reduziert Stress für Patienten und Team, verbessert Praxisauslastung.
- Patientenaufnahme (Neupatienten):
- Ziel: Freundlicher Empfang, korrekte und vollständige Erfassung aller notwendigen Daten.
- QM-Aspekte: Standardisierter Ablauf am Empfang (Begrüßung, Anmeldeformalitäten), Anamnesebogen (verständlich gestaltet, digital oder Papier, Hinweis auf Aktualisierungspflicht!), Einholung der Einwilligung zur Datenverarbeitung nach DSGVO (schriftlich!), Information über Praxisablauf, Gestaltung des Wartebereichs (Sauberkeit, Information, Atmosphäre).
- Patientenverwaltung:
- Ziel: Korrekte und sichere Führung der Patientenakten.
- QM-Aspekte: Systematische Aktenführung (digital/Papier), Einhaltung der Aufbewahrungsfristen, Sicherstellung des Datenschutzes und der Datensicherheit (Zugriffsrechte, Backups!), Regelungen zur Akteneinsicht durch Patienten.
- Übergabe ans Behandlungszimmer:
- Ziel: Nahtloser Informationsfluss vom Empfang zum Behandlungsteam.
- QM-Aspekte: Kurze, strukturierte Übergabe relevanter Informationen (Name, Grund des Besuchs, evtl. Besonderheiten/Ängste, Aktualisierung Anamnese?).
5. Behandlungsplanung und -durchführung
Hier geht es um die Standardisierung und Sicherheit der Kernleistung.
- Diagnostik & Planung:
- QM-Aspekte: Sicherstellung einer vollständigen Befunderhebung als Basis (siehe Diagnostik-Abschnitt im Abrechnungsleitfaden), systematische Diagnosestellung, Sicherstellung der korrekten Indikationsstellung für Therapien (besonders bei Röntgen!).
- Aufklärung & Einwilligung (Informed Consent):
- QM-Aspekte: Definition eines Standardprozesses für die Patientenaufklärung (wann, durch wen, mit welchen Hilfsmitteln?), Verwendung standardisierter Aufklärungsbögen (aber immer ergänzt durch individuelles Gespräch!), Sicherstellung und Dokumentation der Aufklärung und der Einwilligung vor Behandlungsbeginn (siehe Kommunikationsleitfaden).
- Standardisierung von Behandlungsabläufen:
- Ziel: Gleichbleibend hohe Qualität und Sicherheit bei häufigen oder komplexen Behandlungen.
- QM-Aspekte: Erstellung von internen Leitfäden, Checklisten oder Arbeitsanweisungen für bestimmte Therapien (Beispiele: „Checkliste Vorbereitung Implantat-OP“, „Ablauf Anfertigung einer Krone“, „Protokoll für Wurzelkanalbehandlung“). Dies erleichtert die Einarbeitung, reduziert Fehler und stellt sicher, dass alle notwendigen Schritte bedacht werden. Es ersetzt nicht das individuelle Eingehen auf den Patienten, gibt aber einen verlässlichen Rahmen. Dokumentation von (begründeten) Abweichungen vom Standard.
- Materialauswahl & Dokumentation:
- QM-Aspekte: Sicherstellen, dass die geplanten und mit dem Patienten besprochenen Materialien verwendet werden. Bei bestimmten Medizinprodukten (z.B. Implantate, Knochenersatzmaterial) ist die Chargendokumentation in der Patientenakte gesetzlich vorgeschrieben (Rückverfolgbarkeit!).
6. Materialwirtschaft (Bestellung, Lagerung, Verfall)
Eine gut organisierte Materialwirtschaft spart Kosten und vermeidet Risiken durch abgelaufene Produkte.
- Bestellwesen:
- QM-Aspekte: Wer ist verantwortlich? Wie wird der Bedarf ermittelt (Mindestbestände?)? Wie wird bestellt (Lieferantenliste, Freigabeprozess)? Wareneingangskontrolle (Lieferschein prüfen, Ware auf Schäden checken).
- Lagerung:
- QM-Aspekte: Übersichtliches Lagersystem (feste Plätze). Korrekte Lagerung nach Herstellervorgaben (Temperatur, Lichtschutz, Feuchtigkeit – z.B. Kühlschrank für bestimmte Materialien!). Konsequente Anwendung des FIFO-Prinzips (First In, First Out), um das Veralten von Materialien zu verhindern.
- Verfallsdatenmanagement:
- Sehr wichtig! Ein systematischer Prozess zur regelmäßigen (z.B. monatlich oder quartalsweise) Kontrolle der Verfallsdaten ALLER gelagerten Materialien und Medikamente (auch im Notfallkoffer!). Verantwortlichkeit festlegen! Abgelaufene Produkte müssen gekennzeichnet und sicher entsorgt werden. Dokumentation der Kontrolle (Checkliste!).
- Gefahrstoffmanagement:
- QM-Aspekte: Erstellung eines Gefahrstoffverzeichnisses (alle potenziell gefährlichen Stoffe in der Praxis, z.B. Desinfektionsmittel, Säuren, Kunststoffe). Bereithaltung der aktuellen Sicherheitsdatenblätter. Unterweisung der Mitarbeiter im sicheren Umgang (gemäß TRGS 500 etc.). Bereitstellung der nötigen persönlichen Schutzausrüstung (PSA).
7. Personalmanagement (Einarbeitung, Schulung, Kommunikation)
Das Team ist der wichtigste Faktor für die Qualität – QM unterstützt das Personalmanagement.
- Einarbeitung:
- QM-Aspekte: Erstellung strukturierter Einarbeitungspläne für neue Mitarbeiter. Vorstellung des QM-Systems, der wichtigsten Abläufe (v.a. Hygiene!), der Geräte und der Praxisphilosophie. Benennung eines festen Ansprechpartners/Paten. Dokumentation der erfolgten Einarbeitung.
- Qualifikationen & Schulungen:
- QM-Aspekte: Sammlung und Aufbewahrung von Qualifikationsnachweisen (Ausbildungszeugnisse, Röntgenschein, Fortbildungszertifikate etc.). Ermittlung des Fortbildungsbedarfs. Planung und Ermöglichung von Fortbildungen. Dokumentation aller Pflichtunterweisungen (mindestens jährlich: Hygiene, Arbeitssicherheit, Notfallmanagement, Datenschutz, QM, Röntgenaktualisierung alle 5 Jahre!).
- Teambesprechungen:
- QM-Aspekte: Regelmäßige Durchführung von Teambesprechungen (z.B. wöchentlich/monatlich) mit fester Agenda, die auch QM-Themen beinhaltet (z.B. Besprechung neuer Anweisungen, Analyse von Problemen/Fehlern, Vorschläge zur Verbesserung). Protokollierung wichtiger Ergebnisse und Beschlüsse.
8. Fehlermanagement & Patientensicherheit (CIRS & Co.)
Ein proaktiver Umgang mit Fehlern ist ein Kernstück eines modernen QM-Systems.
- Sicherheitskultur:
- QM-Aspekte: Die Praxisleitung muss eine Kultur fördern, in der Fehler und Beinahe-Fehler offen angesprochen werden können, ohne dass sofort nach Schuldigen gesucht wird. Das Ziel ist gemeinsames Lernen und Systemverbesserung.
- Fehler-/Beinahe-Fehler-Meldesystem:
- QM-Aspekte: Etablierung eines einfachen (ggf. anonymen) Weges für alle Mitarbeiter, kritische Ereignisse, Fehler oder auch nur unsichere Situationen zu melden (z.B. standardisierter Meldebogen, interner Briefkasten, Software-Modul). CIRS = Critical Incident Reporting System.
- Analyse und Verbesserung:
- QM-Aspekte: Gemeldete Ereignisse sollten systematisch analysiert werden (z.B. im Team, im Qualitätszirkel): Was ist passiert? Warum ist es passiert (Ursachenforschung, nicht nur oberflächlich!)? Was können wir tun, um eine Wiederholung zu vermeiden (Maßnahmen festlegen, Verantwortung zuweisen, Wirksamkeit überprüfen – PDCA-Zyklus!).
9. Patientenfeedback & Beschwerdemanagement
Die Rückmeldung der Patienten ist eine wertvolle Quelle für Verbesserungspotenzial.
- Feedback einholen:
- QM-Aspekte: Aktive Möglichkeiten schaffen, z.B. durch kurze Fragebögen zur Patientenzufriedenheit, eine Feedback-Box oder die Bitte um Bewertungen auf (seriösen!) Portalen. Feedback systematisch sammeln und auswerten.
- Beschwerdemanagement:
- QM-Aspekte: Festlegung eines klaren Prozesses: Wer nimmt Beschwerden entgegen (Empfang, Arzt?)? Wie wird die Beschwerde dokumentiert? Wer ist für die Bearbeitung zuständig? Innerhalb welcher Zeit sollte eine Rückmeldung an den Patienten erfolgen? Wie wird die Lösung dokumentiert? Ziel: Jede Beschwerde ernst nehmen, dem Patienten signalisieren, dass man sich kümmert, und aus der Beschwerde lernen.
10. Strahlenschutz (StrSchV)
Die Einhaltung der Strahlenschutzverordnung ist gesetzliche Pflicht und muss im QM verankert sein.
- QM-Aspekte:
- Benennung und Nachweis der Qualifikation des Strahlenschutzverantwortlichen (meist Praxisinhaber) und des Strahlenschutzbeauftragten.
- Erstellung und Aktualisierung von Arbeitsanweisungen für alle durchgeführten Röntgenuntersuchungen (inkl. rechtfertigender Indikation!).
- Regelmäßige Durchführung und Dokumentation der Konstanzprüfungen an allen Röntgengeräten.
- Sicherstellung der regelmäßigen Aktualisierung der Fachkunde im Strahlenschutz für alle anwendenden Personen (alle 5 Jahre!).
- Korrekte Dokumentation jeder Röntgenaufnahme in der Patientenakte (Indikation, Aufnahmebereich, Daten).
- Durchführung der Abnahmeprüfung und Sachverständigenprüfungen nach Vorgabe.
Fazit zu Artikel 3d
Die systematische Gestaltung und Steuerung auch dieser weiteren Kernprozesse trägt entscheidend zu einer reibungslosen, sicheren, gesetzeskonformen und patientenorientierten Praxis bei. QM hilft dabei, den Überblick zu behalten und die vielfältigen Anforderungen des Praxisalltags strukturiert zu meistern.
Im nächsten und letzten Artikel dieser QM-Serie (Artikel 4) geht es darum, wie man QM im Alltag „lebt“ (PDCA-Zyklus, Teamrolle), wie die Einführung gelingen kann und welche Vorteile ein gut funktionierendes System bringt.
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